Gault&Millau WeinGuide für 2009: Überblick über die Anbaugebiete Archiv
MAINZ. Der neue Gault&Millau WeinGuide 2010 ist erschienen. Hier gibt es die deutschen Anbaugebiete im Überblick.
Die 13 deutschen Anbaugebiete im Überblick
Ahr: Ein großer Jahrgang liegt in den Fässern
Der Jahrgang 2006 galt bislang bei vielen Winzern in diesem kleinen Anbaugebiet zwischen Sinzig und Altenahr als der beste der letzten Zeit. Doch der 2009er wird ihm nun kräftig Konkurrenz machen. Einzig das schlechte Wetter, das den Ertrag im Vergleich zum Vorjahr um knapp ein Viertel reduzierte, war ein Wermutstropfen auf ein ansonsten ideales Weinjahr. Geschmacklich besitzen die ersten verkosteten 2009er ein Jahrgangsaroma, das an Sauerkirsche erinnert. Selten haben junge Ahrweine so ein hervorspringendes Bukett und eine solche Farbintensität entwickelt. Die hervorragende Gerbstoffausreifung, die nach Meinung der strengen Verkoster über der von 2006 liegt, macht die Weine ungemein attraktiv in ihrer Jugend.
»Die ungestüme Fruchtigkeit wird die Zeit bändigen. Richtig spannend wird es im nächsten Jahr, wenn die große Anzahl an barriquegereiften Roten zur Probe ansteht. Die ersten wirklich feinen Beispiele konnten wir vom Weingut Brogsitter probieren, das mit seiner Kollektion der 2009er überzeugte«, berichten Christoph Dirksen und der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne. Die Redaktion hat auch einen neuen Trend in der Region entdeckt: Mehr und mehr etabliert sich der Blanc de Noirs, der hell ausgebaute Spätburgunder, im Ahrtal. Es gibt den von leichter Restsüsse geprägten Stil, der die manchmal eckige Säure abpuffern kann, Beispiel Weingut Meyer-Näkel. Eine rassige, pikante, frische Fruchtigkeit ist einer anderen Art zu eigen: trocken, herzhaft, burschikos zum Beispiel der Blanc de Noirs vom Weingut Brogsitter. Die Ausprägung eines von zartherben Noten unterlegten Blanc de Noirs erkennt man beim Weingut
Kreuzberg. Und dann noch der burgundische Typ: vom Holzfass geprägt, aber immer noch mit der dem Spätburgunder eigenen Säure.
Baden: Bercher zurück in der Vier-Trauben-Riege
Bei den ersten Fassproben der Gault Millau-Verkoster deutete sich bereits an: Das letztjährige Traumpaar von 2007er Rotweinen und 2008er Weißweinen findet mit 2008 und 2009 eine kongeniale Nachfolgepaarung. Kein Wunder also, dass dieser kleinklimatische Glücksfall Badens Winzer zu Höchstleistungen anstachelte, findet der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne. An seine früheren Höchstleistungen kann auch das Weingut Bercher in Burkheim anknüpfen. Das homogenste Sortiment –weiß wie rot – stellte dieses Jahr Familie Bercher vor, eine grandiose Leistung, die der Redaktion vier Trauben wert ist. An glanzvolle Tage erinnert auch das Weingut Dr. Heger in Ihringen. Joachim Heger konnte, ebenso wie Bercher, gleich zwei Burgunderweine unter den jeweils besten zehn des ganzen Landes platzieren.
Diese Ausnahmeleistungen konnte nur noch einer toppen: Bernhard Huber, der wieder einmal unter Beweis stellte, dass er nicht ohne Grund mit fünf Trauben an der Gebietsspitze rangiert. Der Malterdinger Rotweinmagier brach nach sieben Jahren die Pfälzer Dominanz an der deutschen Spätburgunder-Spitze. Sein
phänomenales Großes Gewächs aus dem Hecklinger Schlossberg hatte in der Bundesfinalprobe letztlich die Nase vorn – und mit 96 Punkten auch noch ein Traumergebnis eingefahren. Zudem kamen noch zwei weitere 2008er Spätburgunder von Huber unter die besten zehn des Landes.
Noch größer aber war die Sensation bei den weißen Burgunderweinen. Vorbei an den großartigen Gewächsen von Bercher und Heger und der starken Konkurrenz aus der Pfalz schoss ein Badener Betrieb ganz an die Spitze, mit dem im Vorfeld keiner gerechnet hatte. Martin Waßmer aus Bad Krozingen-Schlatt landete mit seiner trockenen Spätlese vom Chardonnay aus der weithin noch unbekannten Lage Dottinger Castellberg den großen Überraschungsschlag und fand sich auf Rang eins wieder.
Schöne Entdeckungen zu machen gibt es bei vielen Genossenschaften mit blitzblanker Aromatik bei feinen, süffigen Weißweinen (Auggen), stoffigen Rotweinen (Sasbach) und mit besonders gut gelungenen edelsüssen Raritäten (Durbach). Fündig kann der Weinfreund bereits bei den »weiter empfehlenswerten Betrieben« werden, denn auch hier war das Preis-Leistungsverhältnis wohl noch nie so gut, hat Joel Payne festgestellt.
Franken: Arno Augustin ist die »Entdeckung des Jahres«
In Sulzfeld am Main machte die Redaktion des Gault Millau WeinGuide in diesem Jahr die »Entdeckung des Jahres«. Arno Augustin vom gleichnamigen Weingut hat die strengen Prüfer rundum überzeugt. Deren Lob fällt deutlich aus: »Bescheiden lässt er lieber seine Weine sprechen – und diese haben einiges zu sagen. Knackiger Silvaner, geschliffener Weißburgunder, saftiger Merlot – hier meldet sich ein Senkrechtstarter zu Wort«. Zum Weingut gehört noch ein Vinotel, das mit einfallsreich gestalteten Themenzimmer überzeugen kann.
2009 feierte Deutschland das Jubiläum »350 Jahre Silvaner«. Die Franken feierten es besonders intensiv, weil die ersten urkundlich erwähnten Silvaner-Reben anno 1659 auf fränkischem Boden in Casteller Fluren gepflanzt wurden. Die fränkischen Winzer belohnten sich zum Jubiläum selbst, denn schon mit den Jungweinen zeichnete sich ab, dass ein ausgezeichneter Silvaner-Jahrgang in den Fässern und Tanks lag. »Gut ein halbes Jahr später war es auch in unseren umfangreichen Verkostungen schnell klar, dass 2009 exzellente Silvaner angefallen waren«, berichten Rudolf Knoll und der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne.
Hessische Bergstraße: Qualitätssteigerung in vielen Betrieben
Der gute Jahrgang 2009 führte in diesem kleinen Anbaugebiet zwischen Heppenheimund Zwingenberg zu einer Qualitätssteigerung in den meisten Betrieben.
»Der Jahrgang ist geprägt von harmonischer Fruchtsäure und Eleganz. Es ist die große Aromenvielfalt, die in vielen Weinen zur Geltung kommt und die Qualität des Jahrgangs belegt. Rotweinfreunde aber sollten sich sputen: Beieinem Ertrag von nur 60 Prozent des Vorjahrs droht ein früher Ausverkauf«, raten Hans-Wilhelm Apelt und der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne, den Weinfreunden.
Mittelrhein: Ein gelungenes Spätlesejahr
Wie im Jahr 2008 probierten die Verkoster des Gault Millau WeinGuide auch vom Jahrgang 2009 klassischen Mittelrheinriesling mit elegantem, feinem Frucht-Säure-Spiel und nicht zu hohem Alkoholgehalt. Während 2008 eher ein Jahrgang mit Kabinettstückchen war, schreibt sich der Jahrgang 2009 als gelungenes Spätlesejahr in die Geschichtsbücher ein. »Erneut konnten die halbtrockenen und feinherben Riesling ihre besondere Stellung in dieser Region unter Beweis stellen«, berichten Hans-Jürgen Podzun und der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne.
Mit 440 Hektar bleibt die Region zwischen Bacharach und Bonn gut überschaubar. Der Flächenrückgang ist allerdings zum Stillstand gekommen. Vor allem die Topbetriebe erweitern ihre Fläche. Eine Ausnahme macht da nur Florian Weingart, der die Lage Schloss Fürstenberg abgegeben hat und sich nun auf seinen angestammten Besitz konzentrieren will. Zugleich stemmen die beiden Spitzenbetriebe Müller und Weingart ein großes Investitionsvolumen, gleichermaßen im Keller wie in den Präsentationsräumen.
Mosel: Schubert zurück in der Vier-Trauben-Klasse
Ob 2009 ein Jahrhundertjahrgang ist, wie allenthalben angekündigt, haben die umfangreichen Verkostungen der Gault Millau-Redaktion letztlich auch an der Mosel nicht entscheiden können. Fest steht allerdings: Das allgemeine Niveau ist sehr hoch und viele Weine sind exzellent. Ob sie zu wahrer Größe heranreifen,
wird die Zukunft zeigen. »Unsere Prognose ist gut«, sagen Dr. Peter Henk und Dr. Eckhard Kiefer sowie der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne.
Die Erträge waren zum Teil sehr niedrig. In den besten Fällen entstanden so Weine mit großer Konzentration und mineralischer Rasse. Edelfäule trat außer an der Terrassenmosel nur im untergeordneten Maße auf. So wundert es nicht, dass aus den Winninger Gütern Heymann-Löwenstein und Knebel auch zwei der besten Trockenbeerenauslesen des Jahres stammen.
Nahe: Drei neue mit drei Trauben
Die ehemalige Staatliche Weinbaudomäne Niederhausen-Schlossböckelheim war jahrzehntelang der Leuchtturm im Nahe-Weinbau. Doch bereits Ende der 1980er Jahre kam eine Phase der Stagnation. Jetzt will ein potenter Investor es wissen: neuer Name, neues Erscheinungsbild, neuer Weinmacher, neuer Stil – und das alles in Verbindung mit einigen der großartigsten Weinberge der Nahe.
»Wir probierten herrlich kraftvolle Rieslinge mit Würze und Spannung«, lautet das Fazit von Carsten Henn und Joel Payne, Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide. Und sie vergaben auf Anhieb drei Trauben.
Pfalz: Philipp Kuhn ist der »Aufsteiger des Jahres«
Schon seit einiger Zeit reiht Philipp Kuhn einen großartigen Jahrgang an den nächsten. Grund genug für die Redaktion des Gault Millau WeinGuide, den Laumersheimer Ausnahme-Winzer zum »Aufsteiger des Jahres« auszurufen. »Seit er mit gerade einmal 20 Jahren das Familienweingut 1992 übernahm, hat er sich
mit großer Energie in die pfälzische Spitze emporgearbeitet. Feinmineralischer Riesling und samtiger Spätburgunder begeistern«, lautet das Urteil von Jürgen Mathäß, Matthias Mangold und Joel Payne.
Vor zwei Jahren hatte bereits ein weiterer Laumersheimer einen hohen Ehrentitel eingefahren: Das Weingut Knipser war »Winzer des Jahres«. Jetzt gelang den Brüdern Volker und Werner Knipser ein weiterer Coup: Sie steigen auf in den Olymp der Fünf-Trauben-Betriebe. Gerade mal zehn Güter, die absolute deutsche Spitze, befinden sich dort. Ihre Weine bewegen sich durchweg auf Weltklasse-Niveau. Das trifft auch auf die Knipsers zu, die gleichermaßen überragende trockene Rot- und Weißweine erzeugen: eine große Rarität.
2008 war bereits ein exzellentes Rieslingjahr mit frischen, mineralischen, säurebetonten Weinen. 2009 fielen die Rieslinge wieder etwas kraftvoller aus, blieben aber dennoch strukturiert und oft mineralisch. Beide Jahrgänge dürften sehr gut in der Flasche reifen. Doch 2009 bescherte der Pfalz doppeltes Vergnügen: Der trocken-warme Herbst brachte den Pfälzer Winzern auch weitestgehend gesunde, reife Burgundertrauben. Weltklasse-Burgunder mit Dichte und mineralischer Kraft wie die Weine von Rebholz, Knipser, Wehrheim oder der fast stilbildend mineralische Chardonnay von Becker weisen deutlich in Richtung mehr Mut zu Kontur und Komplexität. Die Roten dürften im kommenden Jahr für hohe Bewertungen sorgen.
Rheingau: Johannes Leitz ist der »Winzer des Jahres«
Es ist nicht das erste Mal, dass Johannes Leitz sein großes Können gezeigt hat. Doch seine Leistungen in letzter Zeit waren so überragend, dass die Redaktion des Gault Millau den Rüdesheimer zum »Winzer des Jahres« gekürt hat. »Anfangs war sein Name nicht einmal in Rüdesheim bekannt. Inzwischen gelten die Weine dieses Gutes als Inbegriff großartiger Rheingau-Rieslinge – nicht nur in der Heimat, sondern auch in London oder New York«, loben Giuseppe Lauria und Chefredakteur Joel Payne.
Selten haben die strengen Prüfer in der Spitze im Rheingau so eine Phalanx an starken trockenen, feinherben, frucht- und edelsüssen Weinen verkostet. Die 2009er Rieslinge sind spannungsgeladene Weine mit Strahlkraft, klarer Frucht, enormer Dichte und reifer Säure. Die Extraktwerte kamen mancherorts sogar an 2003 heran, nur eben gepaart mit lebendiger, finessenreicher Säure, die den Weinen Frische und Länge verleiht. Durch die Bank spricht die deshalb die Redaktion von sehr guten bis ausgezeichneten 2009er Qualitäten.
Rheinhessen: Keller und Raumland punkten mehrfach
Die Natur bot den rheinhessischen Winzern in 2009 alle Möglichkeiten, fantastische Weine zu erzeugen. Allerdings waren Spitzenweine trotz der idealen Bedingungen längst keine Selbstverständlichkeit. Denn wie in den Vorjahren hatten nur die Weine den letzten Kick, deren Trauben von der spannenden Phase des Herbstes ab Mitte Oktober profitierten. Wer 2009 zu sorglos und unbekümmert bei bester Witterung und sommerlichen Temperaturen erntete, fuhr zwar ganz gute Weine ein; mehr aber auch nicht. Das ist das Fazit von Manfred Lüer und dem Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne, nach umfangreichen Verkostungen.
Saale-Unstrut: 2009 mussten die Weine zugeteilt werden
Die Winzer an Saale und Unstrut waren etwas verwöhnt von den Erntemengen und Wetterbedingungen der letzten Jahre. Doch Anfang 2009 richteten strenge Fröste ernsthafte Schäden in den Weinbergen an. Zudem verrieselte zum Teil die Blüte, was die Menge nochmals reduzierte. Trotz allem konnte durch einen warmen Sommer und eher trockenen Herbst eine qualitativ gute Ernte eingebracht werden. Der Jahrgang präsentiert sich mit sehr guter Fruchtkonzentration und reifen Säuren, hat Matthias Dathan zusammen mit dem Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne, festgestellt.
Sachsen: 2009 mit guter Balance von Säure und Frucht
An das Jahr 2009 werden sich die Winzer in Sachsen wahrscheinlich noch lange erinnern. Die Januarfröste reduzierten die Erträge um fast 40 Prozent. Bis zum April war es hier sehr kalt, ein Frühling fand praktisch nicht statt. Schlechtes Wetter während der Rebblüte führte zu weiteren Ertragseinbußen. Ein guter Winzer brachte dann doch Weine hervor, die gerade im einfachen Qualitätsbereich durch viel Extrakt, Rasse, Würze und reife Säure geprägt waren. Im Vergleich zu 2008 fällt die bessere Balance aus Säure und Fruchtigkeit der Weine auf. Das haben Matthias Dathan und der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel
Payne, in zahlreichen Verkostungen ermittelt.
Württemberg: Aldinger stellt die »Kollektion des Jahres«
Einer der wichtigsten Titel, den der Gault Millau WeinGuide zu vergeben hat, geht in diesem Jahr nach Württemberg. Das Weingut Gerhard Aldinger in Fellbach hat den strengen Verkostern des Gault Millau die »Kollektion des Jahres« aufgetischt. Die Redaktion lobt: »Seit Jahren steht er an der Spitze im Ländle.
Nun krönt Gert Aldinger mit Unterstützung seiner Söhne Hansjörg und Matthias sein Lebenswerk mit den besten Weinen seiner Karriere – darunter ein Lemberger, der in neue Dimensionen strebt«. Dabei scheint Aldingers überwaÅNltigendes 2008er Großes Gewächs aus dem Fellbacher Lämmler symptomatisch für eine neue Entwicklung zu sein, haben Frank Kämmer und der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne, herausgefunden. Während vor Jahren noch die Rotwein-Cuvées die Schlagzeilen bestimmten und dann die Spätburgunder in neuem Glanz erstrahlten scheint sich nun diese Entwicklung auch auf den eigentlichen Rotweinklassiker Württembergs, den Lemberger, auszudehnen, loben die strengen Verkoster.
GAULT MILLAU WeinGuide Deutschland 2011
18. Jahrgang, 914 Seiten, 29.95 €
ISBN 978-3-86244-003-0, Christian Verlag GmbH, München
Quelle: Gault Millau Weinguide