Gault&Millau WeinGuide für 2004 Archiv
Jahrgang 2004: »Es hat ein enormer Qualitätssprung stattgefunden und deutsche Winzer erlangen mittlerweile sogar im Ausland Anerkennung für ihre trockenen Gewächse«
BERGISCH GLADBACH. Im Grandhotel Schloss Bensberg wird heute der neue Gault Millau Weinguide 2006 der Öffentlichkeit vorgestellt. Und die Weißweine aus 2004 müssen sich nicht verstecken. Denn schaut man sich die Bewertungen an, liegen die 2004er in der Summe sogar noch vor den so hoch gelobten Jahrgängen 2001 und 2002.
Die 13 deutschen Anbaugebiete im Überblick
Ahr: Rotweine überzeugen
Neu im Reigen der Traubenbetriebe ist das Weingut Peter Kriechel in Bad Neuenahr-Ahrweiler, das aus dem Stand den Sprung unter die besten Zwölf der Region schaffte. »Es überzeugen vor allem die 2003er Rotweine, doch auch der Jahrgang 2004 ist hier ausgezeichnet geraten«, haben die Chefredakteure Armin Diel und Joel Payne festgestellt. Auch andere Güter konnten vom Jahrgang 2004 schon feine Rotweine vorstellen, so dass die bisherige Faustregel durchbrochen zu sein scheint: Dass an der Ahr generell nur die ungeraden Jahrgänge die besten sind, was immerhin seit 1993 Bestand hatte.
Baden: 2003er Rotweine für Weihnachten vor dem Kamin
So stellen diesmal die Schneiders den Siegerwein in der Kategorie der trockenen Weißen Burgunder. Ihre Auslese mit drei Sternen erwies sich für die Konkurrenz aus ganz Deutschland als unschlagbar. Unter die besten zehn des Jahrgangs 2004 kam ein weiterer Wein des Endinger Gutes und auch Huber, sonst vor allem mit großartigen Spätburgundern erfolgreich, konnte gleich mit zweien seiner weißen Spitzen in der Top Ten landen.
Vor dem Sprung in die Vier-Trauben-Klasse steht ein weiterer Endinger Betrieb: das Weingut Knab der Familie Rinker. Armin Diel und Joel Payne zeigten sich angetan von der Kollektion: Sie überzeugt vom schmackhaften Literwein bis zum spritzigen Pinot Sekt. Dass hier auch die 2003er Rotweine ausgesprochen hochwertig ausgefallen sind, wundert die Chefredakteure nicht: »In Baden und darüber hinaus ist dies ein Ausnahmejahr. Wir probierten zum Teil Rotweine, wie man sie in dieser Pracht bislang in Deutschland noch nicht gesehen hat«.
Zeugnis davon legt unter anderem der Spätburgunder »RRR« vom Weingut Seeger in Leimen ab, zweitbester 2003er Rotwein im ganzen Land. Bei Alkoholgehalten von 15 und mehr Volumenprozent raten Diel und Payne allerdings zu moderatem Konsum: »Das sind richtige Festtagsweine, etwa für Weihnachten vor dem Kamin«.
Franken: Würzige und knackige Kabinettweine
Nach den mächtigen Weinen des Vorjahres machte sich bei den Verkostungen des Jahrgangs 2004 eine angenehme Ernüchterung breit. Zwar lag der Prädikatswein-Anteil auch diesmal in Franken wieder sehr hoch, doch waren es weitgehend Kabinettweine, welche die Herausgeber Armin Diel und Joel Payne probierten. Darunter gab es viele schlanke, würzige und knackige Vertreter mit einer pointierten Säure, die zur Haltbarkeit des Jahrgangs beitragen wird.
Hessische Bergstraße: 2004 kann Vorjahr nicht toppen
»Im Stil sind die 2004er völlig anders als die 2003er. Fehlte es vielen Weinen im Vorjahr an Frische, um die opulente Fülle auszugleichen, so waren die 2004er viel klassischer in ihrer Prägung, oft geradezu schlank und säurebetont«, lautet das Fazit der Herausgeber nach umfangreichen Verkostungen. In der Tat ist 2004 eher ein Jahrgang für zartgliedrige Kabinette und filigrane Spätlesen. Auslesen und edelsüße Weine gab es, wenn überhaupt, nur
in homöopathischen Dosen –und auch diese wenigen Exemplare hatten bei weitem nicht die Pracht der 2003er.
Mittelrhein: Halbtrockener Riesling des Jahres
»Wurde der Jahrgang 2003 anfangs überschätzt, war es beim 2004er gerade umgekehrt. In Spitzenbetrieben fällt die große Zahl von Spätlesen auf, die vom Mostgewicht her Auslesen sind«, haben die Herausgeber des Gault Millau WeinGuide, Armin Diel und Joel Payne, festgestellt. Sie probierten überwiegend frische und lebendige Weine, wobei vor allem zartfruchtige Spätlesen überzeugten. Bei den trockenen Spitzenweinen sucht der Mittelrhein hingegen noch den Anschluss an die Leistungen in den Nachbarregionen.
Mosel-Saar-Ruwer: Dominant bei Spät- und Auslesen
Wirkliche Kabinettjahre sind in Zeiten des Klimawandels auch in den nördlichen Weinbauregionen selten geworden. So standen denn aus dem Jahrgang 2004 von Mosel, Saar und Ruwer wieder Spätlesen im Mittelpunkt der Verkostungen. Und die Chefredakteure Armin Diel und Joel Payne konnten für den neuen Gault Millau WeinGuide eine Fülle erstklassiger Rieslinge ermitteln, wovon einige wieder zu den besten des Landes zählen.
Auch die Kategorie der besten Riesling Auslesen wird von dem Anbaugebiet zwischen Koblenz und Perl beherrscht. Gleich sechs Weine konnten sich unter den besten zehn platzieren, wenn auch die ersten vier Ränge an Weine aus anderen Regionen gehen. Hingegen macht die Mosel die Kategorie der besten feinherben Rieslinge des Jahres praktisch unter sich aus: Hier belegen der Sankt Urbans-Hof und zweimal Markus Molitor die drei Siegerplätze.
Nahe: Werner Schönleber ist »Winzer des Jahres«
Zum zweiten Male kommt der »Winzer des Jahres« von der Nahe. Werner Schönleber stellt seit einigen Jahren eine überragende Kollektion nach der anderen vor. Bereits vor zwei Jahren sicherte sich der Monzinger Winzer den Titel »Kollektion des Jahres«: Mit einem bewundernswerten Sortiment aus dem Jahrgang 2002. »Diesen großen Wurf hat das Weingut Emrich-Schönleber mit seinen 2004ern wiederholt, wenn nicht sogar übertroffen« urteilen die Chefredakteure des Gault Millau WeinGuide, Armin Diel und Joel Payne.
Werner Schönleber gehört beim Riesling zu den Allroundern, was er mit dem Jahrgang 2004 erneut unter Beweis stellt. Als einziger Winzer platzierte er jeweils einen Wein in allen Riesling-Kategorien. Bei der Top Ten der besten trockenen Rieslinge ist er dabei, er schaffte es unter die drei besten halbtrockenen, unter die fünf besten Spätlesen des Landes und unter die besten fünf Edelsüßen. Bei den Auslesen belegt sein Wein aus dem Monzinger Frühlingsplätzchen gar den zweiten Rang.
Pfalz: Aufsteiger und Entdeckung des Jahres
Die Pfalz kann sich diesmal gleich über zwei Ehrungen freuen. Seit Jahren schon gehört Friedrich Becke in Schweigen zur den besten Rotwein-Machern in ganz Deutschland: Zum dritten Mal in Folge stellt er den Rotwein des Jahres. Sein Spätburgunder Pinot Noir Tafelwein ist die Krönung des phantastischen Rotwein-Jahrgangs 2003 und erreichte mit 95 Punkten die höchste Note, welche die Herausgeber Armin Diel und Joel Payne je einem deutschen Rotwein gegeben haben. Becker ist der »Aufsteiger des Jahres«.
Auch Markus Schneider hat sich dem Rotwein verschrieben. Besonders seine tiefroten, saftigen Portugieser aus bis zu 80 Jahre alten Reben sind sein Markenzeichen. Aber dies ist nicht der einzige Grund für die Wahl des Ellerstädters zur »Entdeckung des Jahres«. Denn auch mit seinen Weißweinen kann er zunehmend überzeugen, finden die Chefredakteure des Gault Millau WeinGuide.
Rheingau: Leitz und Spreitzer auf dem Vormarsch
Vor fünf Jahren noch »Entdeckung des Jahres«, stößt das Weingut Josef Spreitzer in Oestrich nun in die Gebietsspitze vor. Hinter dem einzigen Fünf-Trauben-Betrieb des Rheingaus, Robert Weil in Kiedrich, reihen sich die Gebrüder Spreitzer nun unter die bestrenommierten Rheingauer Adressen ein: Sie stehen jetzt auf Augenhöhe mit Georg Breuer, August Kesseler, Peter Jakob Kühn und Josef Leitz – »ein verdienter Aufstieg«, wie die Chefredakteure des Gault Millau WeinGuide, Armin Diel und Joel Payne, mit Blick auf eine großartige 2004er Kollektion finden.
Kurz vor einem Sprung in die Fünf-Trauben-Klasse steht nach Einschätzung der Herausgeber das Rüdesheimer Weingut Josef Leitz. Der unermüdliche Johannes Leitz, der seit Jahren schon große Erfolge in den USA feiert, zeigte in 2004 seine bislang beste Kollektion. Er stellt die fruchtige Riesling Spätlese des Jahres aus dem Berg Schlossberg, landete bei den besten trockenen Rieslingen des Landes mit seinem Berg Rottland auf Platz zwei, und platzierte eine Trockenbeerenauslese unter den besten zehn edelsüßen Weinen Deutschlands.
Riesling Classic wird immer mehr zur Erfolgsgeschichte des Rheingaus. Unter den besten sechs des Landes sind gleich vier aus der Region, die auch den Sieger stellt: den 2004 Riesling Classic von Peter Jakob Kühn. Doch auch in ihrer Paradedisziplin, den trockenen Spitzenweinen, konnten sich die Rheingauer auszeichnen: Neben Leitz landeten der Johannishof und Wegeler mit jeweils einem Wein unter den besten zehn trockenen Rieslingen Deutschlands.
Rheinhessen: Keller mit der »Kollektion des Jahres«
Wer kann das Weingut Keller in Flörsheim-Dalsheim auf seinem Höhenflug noch stoppen, fragen sich die Herausgeber des Gault Millau WeinGuide, Armin Diel und Joel Payne. In den letzten sieben Jahren platzierten Vater Klaus Keller und Sohn Klaus-Peter mit großem Abstand die meisten Weine in den Hitlisten der jeweiligen Jahrgangsbesten – insgesamt 61. Auch vom Jahrgang 2004 erreichten wieder acht Weine der Kellers Bestnoten – Grund genug für die Chefredakteure, den Dalsheimer Ausnahmewinzern den Ehrentitel »Kollektion des Jahres« zuzusprechen.
Saale-Unstrut: Pawis ist das erste Gut mit drei Trauben
Jetzt hat der Osten die Schallmauer durchbrochen. Mit dem Weingut Pawis in Freyburg hat erstmals ein Gut aus der Region Saale-Unstrut drei Trauben verliehen bekommen. Schon in den Vorjahren hatte Pawis seine führende Stellung ausgebaut. »Alle Weine haben Klasse, einzelne können auch bundesweit bestehen«, stellen die Chefredakteure des Gault Millau WeinGuide, Armin Diel und Joel Payne fest.
Pawis steht heute allein an der Spitze des nördlichsten Weinbaugebietes in Europa. Mit zwei Trauben haben sich der Winzerhof Gussek in Naumburg und das Weingut Lützkendorf in Bad Kösen hinter ihn gesetzt. Der Jahrgang 2004 brachte dem Gebiet vor allem Weine, die von frischer Säure gekennzeichnet sind, aber mit weniger Alkohol als im Vorjahr durchaus Trinkfreude bereiten können.
Hinter Gussek und Lützkendorf rangieren mit einer Traube Klaus Böhme aus Kirchscheidungen und das Thüringer Weingut Bad Sulza. Weitere zehn Betriebe halten die Autoren für empfehlenswert.
Sachsen: Schloss Proschwitz setzt sich an die Spitze
Auch im östlichsten Anbaugebiet der Republik gibt es nun den ersten Drei-Trauben-Betrieb. Bereits im Jahrgang 2003 sei im Schloss Proschwitz durchaus Großes gelungen, berichten die Chefredakteure des Gault Millau WeinGuide, Armin Diel und Joel Payne. Selbst die Rotweine zeigen in dem Zadeler Mustergut Klasse. Und auch aus dem Jahrgang 2004 probierten die kritischen Verkoster wieder Weine, die zu den besten des Gebietes gehören – Grund genug, an Schloss Proschwitz die dritte Traube zu verleihen.
Klaus Zimmerling in Dresden-Pillnitz bleibt dem Spitzenreiter dicht auf den Fersen, was er im Jahrgang 2004 durch ausdrucksstarke Weine bewies. Ebenfalls zwei Trauben trägt nun das Gut von Michael Schwarz in Dresden, der schon im Vorjahr glänzen konnte. Das Staatsweingut Schloss Wackerbarth in Radebeul scheint sich stabilisiert zu haben und behält eine Traube. Neben diesen vier führenden werden weitere fünf Betriebe im neuen Gault Millau WeinGuide als empfehlenswert notiert.
Württemberg: Siegfried Röll ist »Gutsverwalter des Jahres«
Erneut geht der Ehrentitel »Gutsverwalter des Jahres« nach Württemberg. Siegfried Röll vom Weingut des Fürsten zu Hohenlohe-Öhringen wurde vom Gault Millau WeinGuide ausgezeichnet. »In drei Jahrzehnten hat er das fürstliche Traditionsgut maßgeblich geprägt. Bei seinen ersten Barrique-Versuchen in den 80er Jahren nach als Holzkopf belächelt, gehören seine Hades-Weine schon seit vielen Jahren zur Spitze im Ländle«, loben die Chefredakteure Armin Diel und Joel Payne und zeichnen den Öhringer Betrieb zugleich mit der dritten Traube aus.
Mit vier Trauben steht der Fellbacher Gerhard Aldinger an der Spitze in Württemberg. Doch er könnte bald Gesellschaft bekommen, mutmaßen die Autoren. Rainer Schnaitmann, ebenfalls aus Fellbach, wird immer stärker und hat die mit Abstand stärkste 2003er Rotwein-Kollektion in Wüttemberg vorgestellt. Überhaupt hat dieser Ausnahme-Jahrgang in einigen Betrieben Rotweine hervorgebracht, wie sie in dieser Qualität und Zahl in Württemberg bislang noch nicht probiert werden konnten. Ganz andere Maßstäbe setzt Albrecht Schwegler in Korb. Er präsentierte mit einem erst nach sechs Jahren Fasslager gefüllten 1999er Lemberger den vielleicht besten je im Ländle erzeugten Wein (93 Punkte).
Gault Millau WeinGuide Deutschland 2006
13. Jahrgang, 832 Seiten
ISBN 3-88472-685-4,
Christian Verlag, München
Quelle: Pressemeldung