Gault&Millau WeinGuide für 2008 Archiv
Jahrgang 2008: Die ganze Vielfalt der deutschen Weine
MAINZ. Der Wein-Jahrgang 2008 ist erheblich besser ausgefallen, als es mancher Winzer zu Zeiten der Ernte im vergangenen Herbst erwartet hat. Dies ist das Fazit ausgedehnter Verkostungen für den neuen GAULT MILLAU WeinGuide 2010.
Lediglich bei den Auslesen und edelsüßen Rieslingen muss man Abstriche machen, hier ist das hohe Niveau der Vorjahre nicht immer erreicht worden. Dafür wird der Weinfreund mit einem Füllhorn allerbester trockener Rieslinge entschädigt.
Die 13 deutschen Anbaugebiete im Überblick:
Ahr: Frühburgunder an der Ahr immer charaktervoller
Bundesweit kommt er nicht einmal auf 100 Hektar Anbaufläche – doch er wird immer interessanter: der Frühburgunder. An der Ahr haben die strengen Verkoster des Gault Millau WeinGuide jetzt die besten Exemplare getestet, und sind dabei auf manch schöne Überraschung gestoßen. Kein Wunder, denn allein zwei Fünftel der deutschen Produktion dieser seltenen Sorte wird in dem kleinen, nördlichen Rotweingebiet erzeugt
Der Frühburgunder kann zu den interessantesten deutschen Rotweinsorten gehören. Diese Einschätzung fand der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne, bei den diesjährigen Verkostungen vollauf bestätigt. „Der Frühburgunder hat in den letzten Jahren rasant an Qualität zugelegt“, berichtet Payne. Folglich gibt es eine eigene Hitliste für diese Sorte, deren Spitzenweine mit 89 bis 92 Punkten bewertet wurden.
Baden: Hohe Traubenreife und geringe Säurewerte
Die strengen Verkoster des WeinGuide sehen beim badischen Spätburgunder mittlerweile eine Entwicklung hin zu mehr Eleganz, Schliff und Kontur, weg von einseitiger Dichte, überreifer Süße und vordergründiger Gefälligkeit. Die Natur spielte den Winzern im Jahrgang 2007 aber auch in die Karten: mit hoher Traubenreife bei gleichzeitig feinen Gerbstoff- und Säurewerten. »Das Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Dennoch bleibt festzuhalten, dass in Baden noch nie so herausragende Spätburgunder und Pinot Noirs erzeugt wurden wie in 2007 – und dies in einer großen Bandbreite bis hin zu den Genossenschaften«, berichtet Joel Payne.Ähnlich Gutes lässt sich über die weißen Burgunder des Jahrgangs 2008 sagen. Mehr Säure als im Vorjahr und ebenfalls gesundes, reifes Traubengut brachte feingliedrige, gut strukturierte und langlebige Grauburgunder, Weißburgunder und Chardonnays hervor. »Eine seltene Harmonie und Balance, auch was den Holzeinsatz anbelangt«, haben die Tester bei zahlreichen Proben festgestellt.
Franken: Großartige Silvaner krönen den Jahrgang
Der Jahrgang 2008 hat offenbar vor allem dem Silvaner gut getan. Selten probierte die Redaktion des Gault Millau WeinGuide in Franken eine so breite Palette wirklich erstklassiger trockener Silvaner. Allein zehn davon verdienten sich 90 oder 91 Punkte. »In keinem anderen Gebiet konnte diese traditionsreiche Sorte auch nur annähernd so gut abschneiden, wie wir auf der Bundesfinalprobe festgestellt haben« erläutert Joel Payne, Chefredakteur des Gault Millau Wein- Guide.
Bei den Verkostungen fiel den strengen Tester ansonsten auf, dass die früher einmal gebietstypischen, betont herben und gelegentlich auch liebenswert kantigen Frankenweine etwas rar geworden sind. Vielfach werde durch moderne Kellertechnik relativ viel Frucht bei den Weißweinen erhalten. Zwar stehe dann »trocken« auf dem Etikett, aber die Weine präsentierten sich geschmacklich recht süß und nicht selten uniform. Die Gault Millau-Redaktion bleibt zuversichtlich und hofft auf eine Ausnahmeerscheinung.
Hessische Bergstraße: Weine von animierender Frucht
Die Erzeuger profitieren in diesem Jahrgang von einer animierenden Frucht. Viele Weine sind balanciert und klar, was in den Vorjahren nicht immer so war. Ein längeres Lager auf der Feinhefe hat sich bei vielen Weinen vor allem im säurebetonten Jahrgang 2008 positiv bemerkbar gemacht.
Mittelrhein: Mit dem Jahrgang 2008 kehrt die Frische zurück
Nach zwei üppigen Weinjahren hat der Jahrgang 2008 die Frische an den Mittelrhein zurückgebracht. Das ist das Fazit der umfangreichen Verkostungen für den Gault Millau WeinGuide 2010. „Die Weingenießer können sich auf rassigelegante Rieslinge freuen, die großen Trinkspaß bieten“, lautet die frohe Botschaft von Chefredakteur Joel Payne.
Nach wie vor ist das Preis-Leistungs-Verhältnis am Mittelrhein unschlagbar, findet die Gault Millau-Redaktion. Vor allem mit feinherben und halbtrockenen Rieslingen haben die Spitzenwinzer auch im Jahrgang 2008 punkten können. Dabei hätten sich die Spitzenbetriebe keine Blöße gegeben, aber auch im mittleren Qualitätsbereich gab es kaum Ausrutscher, berichtet Payne.
Mosel: Mosel-Rieslinge bieten tolles Trinkvergnügen
In der Spitze bietet der Jahrgang 2008 an der Mosel ein Trinkvergnügen wie selten. Das ist das Fazit der intensiven Verkostungen für den neuen Gault Millau WeinGuide. »Zugleich war die qualitative Spannbreite der von uns verkoststeten Weine so groß wie selten«, gibt Chefredakteur Joel Payne zu bedenken. Von dünn, grün und säuerlich einerseits bis hin zu feinster Reife und mineralischer Tiefe erstreckte sich das Spektrum bei den monatelangen Tests der Moselweine.
Dass in keinem anderen Anbaugebiet es der Riesling in seiner fruchtsüßen Variante so zur Vollkommenheit bringen kann wie eben an der Mosel, ist lange bekannt. Nun scheint die Region auch bei der Qualität der trockenen Rieslinge Boden gutzumachen. Das liegt laut Gault Millau auch daran, dass der Export stark zurückgegangen sei und sich Winzer zum Ausgleich nun mehr dem inländischen Publikum widmen. Und das fragt meist trockene Weine nach.
Einige Erzeuger stellen schon seit Jahren trockene Spitzengewächse vor. Doch noch nie wurden dem Verkostungsteam des Gault Millau in einer solchen Breite ansprechende trockene Rieslinge vorgestellt.
Nahe: »Winzer des Jahres« ist Tim Fröhlich aus Bockenau
Der »Winzer des Jahres« kommt diesmal von der Nahe. 1995 übernahm Tim Fröhlich im Bockenauer Weingut Schäfer-Fröhlich die Verantwortung im Keller. Seitdem ist das mustergültige Riesling-Gut auf Gipfelkurs. »Nur wenige stellen Jahr für Jahr eine so großartige Reihe an trockenen und edelsüßen Spitzenweinen vor«, begründet Chefredakteur Joel Payne die hohe Auszeichnung. Sie gilt auch der ganzen Familie Fröhlich, die das Gut vorbildlich nach vorn gebracht hat. Aus der Hauslage Bockenauer Felseneck ist ein Juwel geworden, das Jahr für Jahr durch phantastische Rieslinge neuen Glanz erhält.
Pfalz: Stilwechsel im zweitgrößten Anbaugebiet Deutschlands
Die meisten trockenen Top-Rieslinge kommen im Jahrgang 2008 aus der Pfalz. Das haben umfangreiche Verkostungen für den Gault Millau WeinGuide 2010 ergeben.
Nirgends ist es leichter, günstig an beste Qualitäten zu kommen, wie in Deutschlands zweitgrößtem Anbaugebiet, das sich von Grünstadt im Norden bis Schweigen an der französischen Grenze erstreckt. Der Jahrgang 2008 hat zugleich einen Stilwechsel herbeigeführt. „Die besten trockenen Rieslinge wurden endlich wieder zu reifen, aber zugleich auch eleganten Weinen, wie man es vom Riesling erwartet“, berichtet Payne.
Während der Riesling also über weite Strecken brilliert hat, war 2008 nicht gerade ein besonders gutes Burgunderjahr. Allenfalls einige Chardonnays genügen gehobenen Ansprüchen. Anders sieht es bei den 2007er Spätburgundern aus.
Rheingau: Rheingau glänzt in den Berglagen
Die Verkostungen des Gault Millau-Teams im Rheingau glichen einer spannenden Berg- und Talfahrt, berichtet Chefredakteur Joel Payne. Die vielfältigen Lagenunterschiede seien im Jahrgang 2008 gut erkennbar gewesen – und vor allem der Lesezeitpunkt. Nur wer die Trauben spät erntete, konnte auch im Rheingau von Eleganz, Finesse und mineralischem Spiel geprägte Weine mit reifer Säure keltern.
Generell waren die Berglagen den flussnahen Weinbergen im mittleren Rheingau überlegen, da sie die feuchte Witterung besser wegstecken konnten als die von Lösslehm geprägten Lagen in Nähe des Rheinufers. Besonders in den steilen Hängen im Westen der Region konnten gesunde und vollreife Trauben gelesen werden.
Endlich gab es wieder einmal trockene Rieslinge mit moderatem Alkoholgehalt. Wann hatte man zuletzt so viele Erste Gewächse mit einem Alkoholgehalt von 12,5 Prozent probiert? Teilweise gehen die Gradationen bis auf elf Volumenprozent zurück, in Einzelfällen sogar bis auf 10,5 Prozent Alkohol. Doch nicht alle diese Weine gehören zur Gebietsspitze.
Rheinhessen: Vitale Frische durch Risiko
Im Jahrgang 2008 sind die Spitzenwinzer im größten Anbaugebiet Deutschland „dem Reiz der späten Reife“ verfallen, heißt es im Gault Millau WeinGuide 2010. Nach zahlreichen Verkostungen steht für den Chefredakteur Joel Payne fest: »Viele 2008er sind besser als ihre hoch gelobten Vorgänger aus dem Jahrgang 2007«. Wer Riesling mit beherztem Spiel und vitaler Frische suche, der sei beim Jahrgang 2008 in Rheinhessen goldrichtig, haben die Verkoster in zahlreichen Sitzungen herausgefunden.
Belohnt wurden im Herbst 2008 aber nur jene Winzer, die auch etwas riskierten. Denn erst spät pendelte sich die meist noch hohe Säure auf ein optimales Niveau ein. Wer die Geduld verlor, hat oft unreifes Lesegut zu Weinen verarbeitet, denen die Aromatik fehlt und die apfelig-grün schmecken. Oft wurde deshalb im Keller versucht, die Schwächen durch Eingriffe zu kaschieren. Den strengen Verkostern des Gault Millau aber ist dies nicht entgangen.
Doch nicht nur viele 2008 Weißweine schnitten überdurchschnittlich ab, auch etliche Rotweine aus dem Jahrgang 2007 haben die Verkoster beeindruckt. »Beim Rotwein scheint dieser Jahrgang in Rheinhessen den Durchbruch in eine neue Klasse zu markieren«, heißt es im neuen Gault Millau. Auch beim Silvaner, einer alten Domäne dieser Region, hat das Team des Gault Millau viele erstaunliche Exemplare probiert. Dazu sprießen zahlreiche talentierte Jungwinzer wie Pilze aus dem Boden.
Saale-Unstrut: Unbeständigkeit in der letzten Dekade
2008 ist einer der inhomogensten Jahrgänge der letzten Dekade. »Durch den schwierigen Witterungsverlauf stehen an Saale und Unstrut dünne Weine mit wenig Extrakt und kräftiger Säure Weinen mit reifer Struktur gegenüber«, hat der Chefredakteur des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne, ermittelt.
Sachsen: Normaler Jahrgang mit einigen Gewinnern
Nach Jahren der guten und sehr guten Jahrgänge sahen sich viele Winzer Sachsens einem eher normalen Jahrgang 2008 gegenüber. Viele früh gelesene Weine zeigen zumeist wenig Extrakt und weisen mitunter kräftige Säure auf. Dies ist das Fazit des Herausgebers des Gault Millau WeinGuide, Joel Payne: »Nur wer mit der Ernte gewartet hat, wurde mit mineralisch-fruchtigen Weinen von zwar schlankerer Struktur, aber mit reiferer Säure belohnt.« Wer in diesem schwierigen Jahrgang das Niveau von 2007 halten konnte, gehört zu den Gewinnern.
Württemberg: Übermäßger Holzeinsatz
Im Ländle haben die strengen Tester des Gault Millau WeinGuide eine stattliche Anzahl wirklich großer Rotweine aus 2007 probiert. Chefredakteur Joel Payne weist aber auch auf ein Problem hin: Nahm man es früher mit der Reife der Trauben nicht so genau, versuchten heute vor allem Winzer aus der zweiten Reihe alles aus dem Lesegut herauszuholen. Das führt nicht selten zu Alkoholgehalten jenseits von 14 Volumenprozent, was der Trinkfreude abträglich ist. Auch ein übermäßiger Einsatz von neuem Holz steuert seinen Teil dazu bei, dass mancher Rote aus Württemberg heute wirkt wie ein Wein aus der Neuen Welt.
Gault Millau WeinGuide Deutschland 2010
17. Jahrgang, 902 Seiten
Euro 29,95,-
ISBN 978-3-88472-956-4
Christian Verlag, München